Warum ich Silvester nicht mehr feiere: Ein stiller Neuanfang jenseits der gesellschaftlichen Normen
Warum ich Silvester nicht mehr feiere: Ein stiller Neuanfang jenseits der gesellschaftlichen Normen

Warum ich Silvester nicht mehr feiere: Ein stiller Neuanfang jenseits der gesellschaftlichen Normen

Manchmal ist es erstaunlich, wie schnell man sich von der Macht der Gewohnheit befreien kann. Vor 5 Jahren wäre es für mich noch undenkbar gewesen das Silvesterfest, einer der größten Feieranlässe, einfach links liegen zu lassen. Wie oft wurde vor allem in der Jugendzeit die Erwartungen an diesen Tag in astronomische Höhen geschraubt, nur um am nächsten Tag mit einem Kater (zumindest halbwegs) ernüchternd festzustellen, dass es doch nur ein stumpfes Saufgelage in zugegeben festlichem Gewand gewesen war.

Als ich mich vor 4 Jahren genauer mit den Rauhnachtritualen befasst habe, hat plötzlich etwas in mir stark resoniert: Schon immer waren die Tage um Weihnachten für mich eine Zeit des Zu-Sich-Findens, der Ruhe und inneren Einkehr. Jeden Monat des kommenden neuen Jahrs in Gedanken durchgehen und die Rast nutzen, um neue Energie zu tanken. Diese Herangehensweise passte teilweise auf die Art, wie ich bisher die Weihnachtsfeiertage zelebriert hatte, riss aber vor allem an Silvester eine Riesenkluft zwischen der gesellschaftlichen Norm und meinen Erwartungen. Jetzt war der Silvestertag ein Störfaktor inmitten der Rauhnächte, der mit lautem Krach ablenkt vom wirklich Wichtigen in diesen stillen Tagen / Nächten. Die unnötige Böllerei hatte mich schon als kleines Kind gestört, das ohrenbetäubende Raktenheulen hat für mich nie zu einem Neuanfang gepasst, von der Verängstigung von Tieren und kleinen Kindern einmal abgesehen.

Für jemanden, der die Weihnachtsfeiertage noch ganz traditionell begeht mag das alles sehr kulturpessimistisch und miesepetrig klingen und es liegt mir fern, irgendjemandem den Spaß an Silvester zu verderben. Zudem es vor allem für Kinder ein spannender Tag ist, an dem man „wie die Erwachsenen“ lang wach bleiben und auch einmal die ein oder andere Sünde mehr begehen darf.

Ich allerdings sehe die Änderung meiner Wahrnehmung des Silvestertags FÜR MICH als Chance, viel mehr anzustoßen als nur der Verzicht auf diesen einen Tag. Es ist eine neue Mentalität, eine andere Sicht auf die Welt und unsere Gesellschaft, die sich einem öffnet.

Hierfür muss man zuerst einmal hinterfragen, WARUM Silvester überhaupt der letzte Tag des Jahres ist. Dies wurde mit der Kalenderreform Papst Gregors (deswegen gregorianischer Kalender) Ende des 16ten Jahrhunderts so festgelegt, benannt wurde er nach dem Papst Silvester (welcher im Jahre 335 bereits verstorben war). Nachdem die Geburt Jesu von der katholischen Kirche auf die erste Rauhnacht (24/25.12, drei Tage nach der Wintersonnenwende) festgelegt worden war, wurde der 01.01. als Tag der Beschneidung Jesu (traditionell der achte Tag nach der Geburt) bestimmt und zum Jahresanfang deklariert. Somit hat die Festlegung des Jahresanfangs eigentlich nur symbolischen Charakter.

Wann aber beginnt ein Jahr wirklich? Es finden sich unterschiedliche Angaben, welche alternativen Kalender unsere Ahnen genutzt hatten. Die Römer feierten den Jahresbeginn am 01. März, was sich noch in den Monatsbezeichnungen widerspiegelt (September = siebter Monat, Oktober = achter Monat usw.). Auch die Germanen begrüßten das neue Jahr im Frühjahr zur Tag-und-Nachtgleiche am 21. März. Das macht durchaus Sinn, denn nach dem „Sterben“ des Lebens im Herbst und der Ruhephase im Winter beginnt in der Natur ein neuer Zyklus, der damals auch für die Menschen bedeutsam war.

Ein weiterer Ansatz ist es, wie auch schon beim Kalender das Jahr in Mondzyklen (=Monate) zu teilen. Ein Mondzyklus beträgt exakt 29,53 Tage, d.h. 12 Monate x 29,5 Tage = 354 Tage. Es bleiben also 11 Tage oder 12 Nächte über, welche den Rauhnächten entsprechen. Bei dieser Herangehensweise bilden die Rauhnächte im Dezember also den Jahresabschluss und das neue Jahr beginnt am 05.01 (Perchttag), nicht weit entfernt von „unserem“ Jahresbeginn.

Ähnlich ist es mit dem Modell von 13 Monaten zu je 28 Tagen, welche 364 Tage ergeben würden. Der übrigbleibende freie Tag war allerdings der 1. April und damit gleichzeitig der Jahresbeginn.

Unabhängig davon, ob man eines dieser Modelle als geeigneter als den gregorianischen Kalender ansieht, dürfte es wohl schwerfallen ein solches Alternativmodell zu „leben“. In jedem Fall müsste man sich mit dem jetzigen Kalender „synchronisieren“ und hätte wohl eher mehr Rechnerei als Vorteile.

Ich denke, dass es dennoch Sinn macht, sich mit diesen Kalendarien zu befassen, denn wesentlich ist die Art des Jahresanfangs. Die Rauhnächte bieten hier ein geeignetes Model, um sowohl das bisherige Jahr gedanklich abzuschließen als auch das kommende Jahr bewusst durchzuplanen. Statt des typischen Neujahrvorsatzes wird sich Zeit genommen, jeden Monat ganz spezifisch zu durchdenken und jeweilige Vorhaben festzulegen. Die mondbasierten und zyklusbasierten Kalender hingegen bieten die Möglichkeit sich wieder mit der Natur zu verbinden und dadurch mehr in Einklang mit sich selbst zu kommen. Warum sollte man sich also nicht sowohl zum 01.01. als auch zum Frühlingsbeginn etwas vornehmen und in bestimmten Bereichen einen Neustart wagen? Als leidenschaftlicher Gärtner freue ich mich ohnehin jedes Jahr, wenn die Natur wieder zu blühen beginnt und draußen mit den ersten Arbeiten begonnen werden kann, ebenso wie im Herbst eine bewusste Ruhe einkehrt, die sich über den Winter hält und Zeit zum Verschnaufen gibt. Die Weihnachtszeit ist damit nicht ein Neuanfang, sondern eher eine Umkehr, an der die Tage wieder länger werden und der Frühling herbeigesehnt werden kann.

Mit diesen neuen Blickwinkeln habe ich es geschafft, Silvester nicht mehr als Schlussstrichtag zu sehen, an dem alles im chaotischen Feiern verschwimmt, sondern als einer von 12 stillen, klaren Nächten, an denen sich der Mensch im Übergang befindet zwischen dem Alten und dem Neuen. Und gerade diese wahrhaftige Besinnung ist es, die wir als Gesellschaft so dringend brauchen. Viel zu sehr sind wir nur noch mit uns selbst beschäftigt, ohne uns aber wirklich zuzuhören und in uns hineinzuspüren. Es fehlt oft der Blick für das Wesentliche, der in dieser Zeit des Innehaltens wieder geschärft werden kann, wenn nur wieder bewusster gelebt wird.

Unser Alltag ist so bestimmt von einer permanenten Reizüberflutung und immerwährenden Ablenkungen, dass es Not tut wieder einen roten Faden zu finden, und nicht nur einen kurzen Moment der Besinnungslosigkeit, der lediglich kurzfristiges Vergessen all der ungelösten Probleme verspricht.

Es ist an der Zeit, wieder den Sinn von vielen Dingen in unserem Leben zu hinterfragen, denn nur dann ist es uns möglich, dass wir wieder mehr Mensch werden. Dass wir uns wieder annähern können, einander Verständnis und Empathie anbieten und mit dem Natürlichen mitschwimmen, das uns ständig umgibt, aber das wir wahrzunehmen verlernt haben.

Manche nennen dieses Natürliche Gott, andere finden mit ihrem Herzen den Weg dorthin. Es gibt noch viel zu tun die nächsten Jahre und nicht nur der Jahresanfang sollte ein Grund sein, Dinge endlich anzupacken, auch, wenn dies natürlich eines von vielen Mittel sein kann. Wichtig ist die Erkenntnis, dass es dabei immer an uns liegt, alte Gewohnheiten zu überdenken und in unsere Kraft zu gehen., egal an welchem Tag im Jahr. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine lichtvolle, gute kommende Zeit!

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